Gelungener Mischmasch
Bei oberflächlicher Betrachtung haben wir es bei dieser Serie mit einer bloßen Vermengung nur zu gut bekannter Elemente aus anderen Serien zu tun, nämlich vornehmlich folgende:
- Die geheime Identität aus Smallville: Der Held muss zum Selbstschutz und zum Schutz seiner Lieben seine wahre Identität, seine Herkunft, seine Superfähigkeiten verheimlichen, was zu fadenscheinigen Ausflüchten, Erklärungsnotstand und endlich zu Misstrauen führt. Auch hat, nebenbei bemerkt, des Helden Herzdame (die Nachbarstochter (!) Amanda Bloom) gewisse Ähnlichkeit mit Clark Kents Lana Lang: irgendwie unnahbar und überirdisch, stets von einem weichzeichnenden Schimmer umgeben.
- Das Commander-Data-Phänomen aus Star Trek – The Next Generation: Ein Held mit überdurchschnittlicher Intelligenz, welche ihm jedoch nur in seltenen Fällen hilft, auch nur die offensichtlichsten Redewendungen, sarkastisch gemeinten Äußerungen oder humoresken Andeutungen als solche zu durchschauen. Es kommt wiederholt zu komischen oder belehrenden Momenten.
- Die gute Familie aus Eine himmlische Familie: Die Eltern treffen lehrbuchgerecht immer genau die richtigen Entscheidungen, finden immer die genau richtigen Maßnahmen, während die Kinder nach typisch adoleszenten Fehltritten am Ende immer einsichtig, respektvoll und gehorsam sind, so dass jede Krise zu noch größerer Harmonie, stärkerem Zusammenhalt und tieferer Liebe führt.
- Die Jugendsprache aus Dawson’s Creek (und auch anderswo, z.B. Seth aus O.C. oder Rory aus Gilmore Girls) : Wie damals Joey, Pacey oder Jen bedienen sich die hiesigen Jugendlichen einer Sprache, die kaum ein echter Jugendlicher (oder auch Erwachsener) jemals sprechen würde: zu präzise, zu pointiert, zu geistreich, zu wohlgeformt, als dass sie glaubwürdig daherkommen könnte.
In ihrer Vermengung allerdings verlieren diese Elemente ihren unangenehmen Nachhall. Sie werden nie so weit strapaziert, dass sie – wie in den Originalen der Fall – auf die Nerven gehen. Vor allem bei der Darstellung des Familienlebens der Tragers gelingt es, das Gefühl der Harmonie zum Zuschauer zu transportieren, es glaubhaft zu machen, so dass man am Ende einer Episode, wenn man entsprechend geneigt ist, fast ein wenig neidisch zum fernen Abendesstisch blickt, sich wünscht, auch dort sitzen zu dürfen, neben so tollen Eltern und so tollen Geschwistern, und sich nicht, wie es bei Eric und Annie Camden immer der Fall war, denken muss: Was für geisteskranke Wahnsinnige sind das denn eigentlich?!
Und so unglaubwürdig die Sprache zeitweilig ist: sie macht Spaß – mir jedenfalls. Sie kommt nicht altklug daher wie Dawsons und ist den jeweiligen Charakteren gut angepasst. Auch wenn beide den Punkt zitierenswert gut treffen, trifft Josh ihn mit ganz anderen Worten als Lori, wobei Kyles eher nüchterne Formulierungen hervorragend als Katalysator dienen, der eine sprachliche Überladung verhindert.
Insgesamt wird eine runde Sache draus, und es stellt sich heraus: es ist tatsächlich möglich, Mystery und Familienshow unter einen Hut zu kriegen. Bleibt abzuwarten, was die dritte Staffel – bereits in Produktion – bringt. Kyle XY ist die meistgesehene eigenproduzierte Serie von ABC Family (Quelle: prosieben.de), und großer Erfolg, das haben wir bei früheren Serien schon feststellen müssen, tut der Qualität nicht immer gut.
Nachtrag zur Sprache: Nun, nachdem ich mir einige Episoden noch einmal in der deutschen Fassung angeschaut habe, muss ich ein wenig an meinem eigenen Urteil die gesprochene Sprache betreffend zweifeln: Ich konnte keine wirklichen Höhepunkte finden. Im Gegenteil: ziemlich platt das Ganze. Und hier wage ich es nicht, der Synchronisation die komplette Schuld in die Schuhe zu schieben, obwohl doch einige Charaktere weniger gut gelungen sind. Andy Jensen z.B. wirkt auf Deutsch wie ein durchschnittliches Mädchen, das lediglich überdurchschnittlich viel plappert. (Text erstellt von johann)